Mittwoch

Killt der Internet-Hype die Idee von Yoga?

Foto: Biggalyoga


Namaste!
Das größte Glück und die Passion eines Yogalehrers ist es, seine Botschaft weitergeben zu können. Am besten natürlich an möglichst viele Schüler, damit sich der Yoga-Weg weiterverbreitet. Die größte Reichweite schafft man heutzutage ganz klar, wie soll es anders sein, mit dem Internet. Für die Zeitschrift "Deutsche Yoga Forum" hat Lettherebeom den Hype im Web unter die Lupe genommen.












Karibik-Barbie und gelenkiges Vollweib sind die großen Yoga-Stars

Eine Yogaschule, die keine Homepage hat, existiert quasi nicht. Doch ein Kanal, um 20 Schüler pro Kurs in die Yogaschule zu locken, alleine reicht vielen schon lange nicht mehr, die sich berufen fühlen: Dazu muss es noch eine Facebook-Seite geben, am besten noch einen Instagram-Account oder einen Youtube-Kanal. Es werden sog. Webinare oder Yoga-Challenges abgehalten, an denen Interessierte auf der ganzen Welt über das Internet teilnehmen können. Einige Yogalehrer sind im WorldWibeWeb regelrecht zu Stars geworden, denen die Massen folgen. Ein persönlicher Kontakt findet, wenn überhaupt, nur per Email statt. Raum für Korrektur bei den Asanas oder Diskussionen über das ein oder andere philosophische Thema geschweige ein intensive Betreuung bei psychischen Prozessen gibt es nicht. Geht es hier wirklich um den Yoga-Weg oder eher um Yoga als Trendsportart und Marketing-Hype? 


"Alles andere wird sich von selbst erledigen"
Helga Simon-Wagenbach ist seit 40 Jahren Yogalehrerin. Auf diese "Yoga als Trend"-Entwicklung angesprochen und auf die Frage, ob Yoga zur Geldmaschine verkommt, sagte die 80-Jährige kürzlich in einem Interview: "Dieser Trend ist schon erschreckend. Man kann nicht generell sagen,“ der Yoga verkommt zur Geldmaschine“. Bei einigen Richtungen und den erwähnten Vorgehensweisen hat man aber schon den Eindruck,dass die vordergründigen Bedürfnisse bestimmter Personengruppen bedient werden sollen. Mit dem Versprechen, durch Yoga besser, schöner, dünner und jünger werden zu können, wird wahnsinnig viel Geld verdient und Yoga missbraucht. Früher gab es jedoch auch schon einige Richtungen, die mir suspekt erschienen. Prinzipiell verurteile ich die digitale Verbreitung des Yoga nicht. Ich freue mich, dass der Yoga mehr denn je in aller Munde ist und auch bunte Blüten treibt. Ich hoffe jedoch, dass bei vielen so viel Interesse hängen bleibt, dass sie weiterforschen und sich auch für die Hintergründe interessieren." Sie ist überzeugt: "Alles andere wird sich mit der Zeit von selbst erledigen."


Schwedin hat 2 Mio. Fans
Mit einem Bild ihres Hundes startete Rachel Brathen alias Yoga Girl auf Instagram. Das Bild wurde nicht einmal kommentiert. Dann postete sie Bilder von sich bei Yoga-Übungen - und die Fan-Gemeinde stieg rasant an. Mittlerweile folgen der jungen Schwedin auf Instagram sage und schreibe 2 Millionen Menschen, auf Facebook sind es 400.000. Dazu beigetragen haben sicher erstens ihr Faible für akrobatische Übungen bis hin zum Kopfstand auf dem StandupPaddle-Brett und die atemberaubende Kulisse der Karibik. Einzelne der knapp 6.000 Beiträge haben schnell mal 40.000 Likes und Hunderte von Kommentaren. Hinter Yoga Girl steckt mittlerweile ein ganzes Unternehmen: Rachel Brathen betreibt das Online-Yogastudio www.oneoeight.com, sie unterrichtet in Seminaren und Retreats auf der ganzen Welt. Im Frühjahr erschien ihr erstes Buch auch auf Deutsch. Darin räumt sie mit dem Vorurteil der am Strand turnenden Barbie-Puppe auf, berichtet von ihrer schweren Jugend, ihrem Leben am Abgrund und dem spirituellen Wendepunkt, den ihr Yoga bescherte. Inzwischen lebt die hübsche Blondine auf der Karibikinsel Aruba, ist verheiratet und erwartet gerade ihr erstes Kind - darum geht es auf ihrem Account und ihren Fotos gerade mehr als um Yoga.

Mit den 2 Mio. Abonnenten ist die Schwedin der mit Abstand erfolgreichste Yoga-Star auf Instagram. Wenn man hier nach Yoga sucht, findet man dutzende Bilder von Kopfständen an außergewöhnlichen Orten und anderen akrobatischen Übungen. Es wird ganz klar das Bild vermittelt: Yoga ist ein Sport für Gelenkige. Von Philosophie ist hier wenig bis gar nichts zu finden.  Inflationär posten die unpersönlichen Seiten wie Yogapractice (510.000 Abos) mit dem streitbaren Slogan "Yoga ist 99 Prozent Praxis, 1 Prozent Theorie", Yogainspiration (1,3 Mio. Abos), wo zumindest zur Hälfte Lebenssprüche zum Nachdenken anregen, oder Seiten mit zumindest noch mehreren zehntausend Abonnenten wie Yogadaily, Yogabeauty oder Word of Yoga Sirsasana-Bilder en masse. Unter den Instagram-Stars finden sich auch kuriose Persönlichkeiten wie etwa Valerie Sagun, die keine Hemmungen hat, ihre mehr als üppigen Kurven in alle möglichen Yogastellungen zu verbiegen und knapp bekleidet als Biggalyoga ihren 143.000 Abonnenten zu präsentieren.

Online- und Youtube-Yogastudios im Trend
Was Rachel auf Instagram ist, ist Adriene auf Youtube. Auf ihrem Kanal "Yoga with Adriene" (YWA) erreichte die junge Texanerin schon 117 Mio. Aufrufe ihrer Yoga-Clips. Sie hat 1,78 Mio. Abonnenten. Hinzukommen 226.500 Likes auf Facebook und 150.000 Abonnenten auf Instagram. Die junge Frau, die sich selbst als Schauspielerin und Yogalehrerin präsentiert, ist das Gesicht hinter dem äußerst erfolgreichen amerikanischen Online-Yogastudio "Find what feels good". Adriene Mishler bietet quasi als Köder auf Youtube viele Videos kostenlos an, auch auf der Homepage gibt es etwa die 30-Day-Challenge gratis. Sie hat von Yoga für Anfänger bishin zu Pränatal Yoga und Yoga zum Abnehmen viele Programme im Angebot. Eines muss man ihr lassen: Sie bringt auch den spirituellen Yoga-Weg mit ein, spielt mit Mantras usw. Von einer solchen Resonanz kann etwa der Youtube-Kanal von YogaVidya mit 32.000 Abonnenten und 24,5 Mio. Aufrufen nur träumen.

Deutsche können nicht mithalten
Oder erst recht Deutschlands bekanntestes Gesicht des Yoga-Marketings, Ursula Karven, die sich gerne als Yoga-Botschafterin präsentiert und damit ihr Abnehm-Programm www.machdichleicht.de verkaufen will. Sie hat im Vergleich magere 78.000 Facebook-Likes, hat nur zwei Beiträge auf Instagram und nutzt auch Youtube nicht. Eine der renommiertesten Yogalehrerinnen Deutschlands, Anna Trökes, wurde mit ihren 20 Büchern zum Thema Yoga sehr bekannt. Haben also die Deutschen den Sprung auf die Schiene Internet versäumt oder passt dieses Kommunikationsinstrument ganz einfach nicht zu einem Lebensweg, der viel mit innerer Einkehr und damit auch Abkehr von uns dauerbeschallenden Bildschirmen, mit persönlichem Kontakt zu Lehrern, mit Spirit in der Gruppe und Weitergabe von psychologischen und philosophischen Ansätzen zu tun hat? 

Letztendlich muss es jeder für sich entscheiden, wo er als Schüler seinen Input herholt bzw. als Lehrer seine Botschaften weitergibt. Mit dem Massen-Instrument Internet wird es zum einen leichter, an Informationen und Inspirationen zu kommen. Zum anderen wird es jedoch auch immer schwieriger, herauszupicken, was für einen persönlich wichtig ist und wohinter nur Geschäftemacherei steckt.

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