Dienstag

Erleuchtung im Yoga-Las Vegas





Namaste! Halbzeit meiner Reise nach Rishikesh: Seit zwei Wochen bin ich nun in der Welthauptstadt des Yoga - und endlich angekommen. Hier im Norden Indiens am Fuße des Himalaya - und bei mir. 













Dein Zuhause ist in dir


Wie lange braucht die Seele, bis sie einem ein paar tausend Kilometer gefolgt ist? Warum springt sie nicht mit in Auto und Flugzeug? Meine braucht offenbar besonders lang. Okay, mein Körper war mit den schnellen, modernen Verkehrsmitteln auch 30 Stunden bis nach Rishikesh unterwegs. Doch fast eine Woche lang schien es, als würde sich alles in mir gegen diesen Ort wehren: Magen-Darm-Probleme, Schwäche, Schmerzen im ganzen Körper, Schüttelfrost, Kopfschmerzen. Als wäre ich nicht ganz hier.

Und dann sitzt man da in einem kleinen Ashram direkt am heiligen Ganghes, hat bereits eine Woche volles Programm mit täglich Mantras chanten, Nase spülen, Atemübungen, zwei 1,5-stündigen Yoga-Einheiten, Meditation und der für Nicht-Inder obligatorischen Lebensmittelvergiftung hinter sich, lauscht dem Yogalehrer Yogi Ji, der selbst denWeg der Erkenntnis und Transformation vom Banker zum Vollzeit-Yogi gegangen ist, in der Philosophie-Stunde und darf
Sonnenaufgangs-Wanderung im Himalaya am
1. Weihnachtsfeiertag - unbeschreiblich schön.
spüren: Du bist richtig. Ich spürte genau: Das ist jetzt nicht das Ego, das sich auf die Schulter klopft – das freute sich am Vormittag schon über den ersten gelungenen Handstand -, das geht so viel tiefer. Zum Ursprung. Da ist eine Verbindung zu einer alten, hohen Weisheit, die ich in diesem Moment so intensiv wie noch nie zuvor spüren durfte. Eine Ahnung davon, was ich meine, bekommen wir bei jedem Aha-Erlebnis. Aha-Erlebnis hoch 1000. Und ja, nichts anderes ist mit Erleuchtung gemeint. Für jeden von uns erreichbar, jeden Tag, sogar mehrmals, wenn wir aufmerksam und bewusst durchs Leben gehen.


Angst vor Gespenstern
Lebe im Moment oder: Jeder hat seine eigene Reise zu machen, tu deine! Ja, diese Sätze sind – so wahr und essentiell sie eigentlich sind – doch etwas überstrapaziert. Wir alle kennen sie. Doch was steckt genau dahinter? Yogi Ji: "Erst einmal musst du wissen, wer du bist, um zu spüren, wohin du willst." Die Yoga-Philosophie löst so manche
Aarti-Zeremonie in Haridwar: Jeden Tag pilgern
Hunderte zu dieser Feier am Ganghes.
Knoten, in die man sich im Leben gerne verstrickt. Yogi Ji: "Und das passiert, wann es passiert, wenn wir bereit dazu sind und nicht wenn unser Geist meint, wir sind es." Unsere größten Hindernisse sind unsere Ängste. Das erschütternde ist: Meistens haben wir Angst vor Gespenstern. Wir produzieren sie in unserem Kopf, ohne dass es einen Grund dafür gibt. Nur weil wir uns nicht trauen, genau hinzusehen. Dann wird in unserer Fantasie schnell aus einem harmlosen Stück Seil eine furchterregende Schlange. Und diese Fantasie wird zu unserer Wirklichkeit, die uns nicht nur mächtig Angst einjagt, sondern auch in unserer Freiheit beschränkt. Grundlos, wenn wir uns nur trauen, für einen Moment allen Mut zusammen zu nehmen und hinzusehen, was da wirklich vor uns liegt: ein Seil oder wirklich eine Schlange? So leicht und schwer zugleich.
 

Jetzt streife ich durch die Straßen dieser Stadt mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre es nie anders gewesen. Das laute Chaos erschreckt mich nicht mehr, ich liebe das
In Rishikesh gibt es nicht nur Yogaschulen an jeder Ecke,
sondern auch jede Menge Hindu-Tempel.
immerwährende Gebimmel der hunderten Tempelglocken, freue mich über die Düfte der Fremde, wenn ich sie zwischen den Abgasen erschnuppere, ich weiche den Kühen aus, die wie angewurzelt mitten auf der Straße stehen, unterhalte mich mit Menschen aus aller Welt - ich habe hier noch kein einziges Wort Deutsch gehört, - ja, ein Teil von mir fühlt sich hier zuhause. Warum? Weil ich angekommen bin im einzig wahren Zuhause, das wir haben - in mir selbst.


Besitz belastet
Mittlerweile schüttle ich auch lachend den Kopf über mich. Denn als ich daheim für diese vierwöchige Reise packte, hatte ich das Gefühl zu einem anderen Planeten

aufzubrechen. Ich packte viel zu viel in meinen Koffer. Um ehrlich zu sein, waren es sogar zwei – sicher ist sicher. Es war, als hätte ich mein Leben mit hierher nehmen wollen. Besitz belastet, das bekam ich gleich zu Beginn meiner Reise zu spüren: Am Münchener Flughafen musste ich fast 80 Euro für das Übergepäck bezahlen.
Jetzt würde ich völlig anders packen. Bereit für das Wenige, bereit Loszulassen. Denn nur dann hat man die Hände frei für Neues.
Ich kann das Mahatma Yoga Ashram direkt am Ganghes
abseits des Stadtlärms nur empfehlen.

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