Donnerstag

Ground Zero der Seele








Namaste! Hinfallen, aufrappeln, Krone richten und weitergehen - wenn das so einfach wäre. Dass Hinfallen jedenfalls nicht unbedingt das Ende, sondern ein großer Anfang sein kann, das erfuhr ich vor drei Jahren am eigenen Leib. Mehr als 365 Tage nach meinem D-Day schrieb ich 2016 diesen sehr persönlichen Rückblick.

Das Ende für die Raupe war der Anfang für den Schmetterling - doch fliegen ist noch immer nicht leicht.




















Der Schmetterling lernt fliegen

Als ich diesen Baum auf einer Wanderung am Wilden Kaiser entdeckt habe, fand ich mich selbst in ihm wieder. Als er noch nicht so stark, groß und kräftig war wie jetzt, drückte ihn offenbar mal ein Sturm nieder. Das bedeutet für viele Bäume, dass sie wieder zurückgehen in den Kreislauf der Energien, sie müssen sich den Standortbedingungen geschlagen geben. Doch dann gibt es die, die sich nicht unterkriegen lassen. Dieser Baum richtete sich neu in Richtung Himmel auf, wuchs dem Licht entgegen und entwickelte sich zu einer wirklich stattlichen Fichte, die jetzt nichts mehr so schnell umhaut. Die Entscheidung, leben zu wollen, war wie eine zweite Geburt. Der Null-Punkt der Seele: Anzunehmen, wie die Situation gerade ist, Kraft zu sammeln und neu durchzustarten. Immer dem Licht entgegen.

Der große Wendepunkt
Vor wenigen Tagen jährte sich mein Wendepunkt zum ersten Mal. Alles stürzte im September 2015 in sich zusammen. Ground Zero, Nebel, Schwindel, Gelähmtheit, Burnout. Der Kampf gegen den Absturz währte Jahre, der freie Fall war nur kurz, der Aufprall jedoch hart. Und doch war ich einfach nur erleichtert: Ich war unten angekommen. Ich brauchte keine Angst mehr haben, ich konnte loslassen, denn tiefer fallen konnte ich jetzt nicht mehr. Meine Ritterrüstung zerschellte bei dem Aufprall in tausend Stücke - auch darüber empfand ich bei aller Nacktheit unglaubliche Erleichterung. Weg damit, ich will sie nie wieder anziehen. Auch wenn sie mir viele Jahre Schutz bot, ich sie selbst gewählt habe, war sie zuletzt doch nur noch ein Gefängnis.

Jeden Tag bewusst entscheiden
Die nächsten Monate waren weiß Gott nicht leicht - doch das Vertrauen auf Führung auf meinen Weg verließ mich nie. Endlich traute ich mich auch in den Spiegel zu blicken, entdeckte Narben, von denen ich bis dahin gar nichts wusste, sah mir in die Augen, bekam wieder ein Gefühl für meinen Körper. Mein Herz spricht wieder mit mir. Für all das bin ich so unendlich dankbar. Der Weg der Heilung bedeutet harte Arbeit, jeden Tag. Es gibt Phasen, in denen ich mich jeden Tag 100 Mal bewusst dafür entscheiden muss, mich der momentanen Schwäche nicht hinzugeben, sondern mich nach dem Licht zu strecken. Das alte System ist stark, die Maschinerie springt an - ich halte dagegen. Ich bin zuversichtlich, dass Achtsamkeit und Verantwortung für mich selbst übernehmen, irgendwann kein täglicher Kampf mehr ist.

Yoga als Stützrad
Ohne Yoga stünde ich jetzt nicht da, wo ich stehe. Yoga hat mich für den Absturz vorbereitet, mir das Vertrauen und die Hingabe gegeben, als ich am Boden lag, und gibt mir die Kraft, jeden Tag einen Schritt weiterzugehen. Mich wundert es nicht, dass der Baum seit einiger Zeit mein Lieblings-Asana ist - und zwar mittlerweile so, wie er ganz ursprünglich geübt wird. Der Fuß des Standbeins geht auf Zehenspitzen. Ja, ich weiß, eine Yogini ist nicht stolz auf ihre Übungsweise, böses Ego :-) Aber mein Körper zeigt mir ganz genau, wo ich stehe. 

Ein Leitsatz hat mich in den vergangenen Monaten ganz besonders begleitet: "In dem Moment, als die Raupe dachte, die Welt geht unter, wurde sie zum Schmetterling."
Momentan lernt der Schmetterling fliegen...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen