Montag

Was Trump mit Yoga zu tun hat

Namaste! Yoga und Politik? Ja, das ist angewandte Philosophie. Als Journalistin kann ich mein politisches Denken nicht abschalten. Und der Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen hat wohl auch viele, die sich sonst nicht für Politik interessieren, aufgerüttelt. Was ist mit Amerika los? Was ist mit unserer Welt los? Ich weiß auch keine Antwort. Aber ich kann euch sagen, was Donald Trump, Politik oder auch Terror mit Yoga, seiner Philosophie und Psychologie zu tun haben.








Ein Herz für Donald Trump

Ja, ich wähle ganz bewusst diese provozierende Überschrift. Und ja, es ist auch für mich eine Yoga-Übung, die wirklich nicht leicht ist. Und zwar die Anwendung der Bhavanas, der Herzensqualitäten auf Donald Trump, der mit beleidigendem Populismus die Wahlen gewonnen hat, und auf die Menschen, die ihn gewählt haben. 
Die vier Bhavanas sind Maitri (Empathie), Karuna (Mitgefühl/Hilfsbereitschaft), Mudita (Mitfreude) und Upeksa (Gleichmut). Kurz gesagt, geht es darum, allen Menschen, allem Leben mit offenem Herzen gegenüber zu stehen - ohne Vorurteile, ohne Schubladendenken. Frei von Erwartungen, Urteilen, den Kern des Menschen immer im Blick. 

Ich liebe alle
Bei Maitri mag das noch relativ leicht fallen. 
Doch checkt euer Leben mal selbst: Wie oft geht ihr genervt zum Beispiel in eine Bäckerei und die Verkäuferin, die weder etwas für eure Laune kann und die ihr noch jemals zu vor gesehen habt, bekommt statt eines freundlichen Lächelns und Wertschätzung nicht einmal einen Blick von euch? Ihr fixiert nur die Nussschnecke, die ihr wollt, bestellt sie mit in eurem Geldbeutel suchend gesenkten Augen und seid auch schon wieder zur Tür hinaus. Oder ihr habt einen Arbeitskollegen, den ihr keines Blickes würdigt, weil ihr sonst mit ihm reden müsstet, was ihr aber aus unerfindlichem Grund nicht wollt: Ihr mögt ihn nicht und wisst nicht einmal, warum. Maitri heißt, allem und jedem erst einmal liebevoll zu begegnen. Heißt ja nicht, dass man sich alles gefallen lassen muss. Doch die Verteidigungsposition braucht es nicht als Anfangsstellung. Sonst herrscht sofort eine kriegerische Atmosphäre. Zieht das Schild der Liebe! Probiert es aus! Ihr schenkt damit nicht nur positive Kraft und sendet Liebe in die Welt - ihr werdet überrascht sein: Ihr bekommt genauso viel zurück!

Ich helfe allen
Karuna ist in der Umsetzung auch noch verhältnismäßig einfach: Jemand schüttet euch sein Herz aus, Liebeskummer, Geldsorgen, Streit mit den Eltern. Ihr hört zu, seid da, bietet eure Hilfe an - spart euch aber Mitleid. Das ist etwas grundlegend anderes als Mitgefühl. Mitleid hilft dem leidenden Gegenüber nicht, ist auch gar nicht nötig, dass es euch auch noch schlecht geht, weil dem anderen das Leben übel mitspielt. Mitgefühl meint: Ich sehe, dass es dir schlecht geht, und helfe dir nach meinen Kräften. Das ist übrigens auch zur Abgrenzung sehr wichtig: Mich schockieren die Bilder aus Kriegsgebieten auch und treffen mich nicht selten mitten ins Herz. Dann muss ich mir sagen: Ich kann den Menschen nur im Rahmen meiner Möglichkeiten helfen, ich kann sie weder retten, noch den Krieg beenden. Aber ich kann ihnen vielleicht eine Moment schenken, die Gegenwart ein wenig erleichtern.

Ich freue mich für alle
Bei Mudita wird es jetzt schon etwas schwieriger. Das heißt nämlich, um wieder auf Donald Trump zurückzukommen: Ich freue mich für ihn, dass er gewonnen hat, dass er die Früchte seiner Arbeit ernten kann. Puh, ja, genau… Heißt aber auch, dass ich mich für die schwangere Freundin freue, auch wenn ich vielleicht seit langem vergeblich versuche, ein Kind zu bekommen, dass ich dem Kumpel ehrlich zu einem top Jobangebot gratuliere, obwohl ich selbst arbeitslos bin.

Ich verstehe alle
Das allerschwierigste ist, finde ich, Upeksa. In diesem Bereich muss ich auch noch viel üben. Denn das ist der Inbegriff von Toleranz: Jede Meinung so stehen lassen können wie sie ist. Den Mörder als Mensch nicht verurteilen, sondern nur seine verabscheuungswürdige Tat. Das können vielleicht Mütter verstehen, deren Sohn der Mörder trotz seiner Tat bleibt und den sie auf irgendeine Art und Weise deshalb immer lieben werden. Bedenke: Täter sind meistens vorher Opfer gewesen. Es gibt Gründe für jede Tat. Übrigens auch für die Taten der Selbstmordattentäter und IS-Kämpfer. Puh hoch zehn…Vor einer Weile stieß ich hier in meinem Freundeskreis an meine Grenzen: Ein Freund, den ich sonst als sehr sozial eingestellt wahrgenommen habe, äußerte sich plötzlich sehr radikal gegen Flüchtlinge. Grund: Ganz in der Nähe seines Hauses sollte eine Asylunterkunft entstehen. Meine erste Reaktion war: Mit Menschen, die so denken, will ich nichts zu tun haben - auch wenn es eigentlich ein Freund ist. Doch bei längerer Betrachtung: Diese Meinung hat einen Grund, die Angst um seine Kinder, weitere irrationale Ängste. Diese Ängste sind ein Aspekt meines Freundes. Er hat jedoch aber noch viel mehr Aspekte. Er ist aufgrund seiner Ängste ja nicht plötzlich ein komplett schlechter Mensch. Verstehender Gleichmut, liebevolle Gelassenheit im Umgang mit Menschen, die etwas Schlimmes getan haben oder die eine total konträre Meinung zu unserer eigenen vertreten, keine feindliche Stimmung aufkommen lassen - das ist die größte Herzensqualität. Wenn wir sie alle beherrschen würden, würde Frieden herrschen, sie negiert jegliche Grundlage für Krieg. 

Ich finde vor allem auch so schwer daran: Okay, als Yogini verstehe ich, warum die Menschen sich so von ihren Ängsten fangen lassen und davon getrieben werden. Ich habe euch hier auch schon einmal was über die Kleshas erzählt. Wenn es mir gelingt, den einzelnen Täter nicht zu verurteilen, sondern erst einmal seine Gründe zu hinterfragen und den Menschen hinter der Tätermaske zu sehen, dann stoße ich an das eigentliche Probleme: Ich finde es schier unaushaltbar, dass ich die insgesamt so angstgeschwängerte und dadurch unendlich aggressive Stimmung auf der Welt nicht ändern kann. Upeksa wird also noch länger eines meiner Mantren sein.


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